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Zwischen den Stühlen ...

Ich habe genau heute vor 17(?) Jahren das letzte Mal "Die Zeit" gelesen. Das weiß ich deshalb so genau, weil ich im Flugzeug nach Zypern sass und mich bei meiner Sitznachbarin entschuldigen musste, als ich vor Wut über das Gelesene in die Tischplatte biss. Ich glaube nicht, dass ich seitdem was vermisst habe. Heute bin ich über das Blog von Geert Lovink versucht gewesen, den Onlineauftritt des Drecksblattes aufzusuchen, aber zum Glück gibt es das Interview auch beim Interviewten selbst.

Vermarktungsdruck für die deutsche Übersetzung von "Zero Comment" (hiermit zur Reiselektüre für Februar erkoren)? Keine Ahnung, ist mir auch egal. Es ist ein Verdienst von Lovink, zwischen den Stühlen zu stehen: zwar sieht und gewisserweise begrüßt er den rasanten Verfall der "alten Medien", aber genauso hat er einen kritischen Blick auf die Blogosphäre. Dafür kassiert er dann schonmal von dort negative Kritiken, wobei diese sich gleich wieder selbst disqualifiziert: Lovink muss man ja nicht kennen, aber der gute Mann ist Jahrgang 1959, was sogar im Zeitartikel steht, und mitnichten zu jung für das Usenet. Seine Biographie und bisherigen Aktivitäten/Texte sprechen auch deutliche andere Worte. Hier schießt sich das "schnelle Blog" dann eher selbst ins Knie ... (wobei ich nicht behaupten würde, die alten Medien würden die längere Reaktionszeit immer für gründliche Recherchen nutzen).

Medientheorie, die nicht kritisch mit allen Medien umgeht, ist nichts wert. Allerdings ist heutzutage mein Interesse an einer Kritik von Printmedien oder klassischem TV zugegebenerweise begrenzt. Um neue Medien, zu denen unter anderem und unausweichlich Blogs zählen, geht es. Wenn diese Medien nur ein unerträgliches Grundrauschen erzeugen, in dem die individuellen Beiträge unter der Wahrnehmungsschwelle bleiben, und sich daraus ein bunter, aber langweiliger Massenbrei zum Wohle der Großkonzerne ergibt, dann darf man daraus auch Konsequenzen ziehen und sagen: "Das ist Scheiße."

  • Individuelle Homepages sind toll. Aber MySpace ist nichts weiter als die Aufgabe von technischen Freiheiten, die ein Standardblog bietet, zugunsten einer bunten Scheinwelt, in der man eigentlich nix mehr wirklich machen kann. Selbst ein einfacher Homepageselbstbaukasten eines Webproviders gibt mehr her.

  • E-Mail ist großartig. Aber Googlemail ist eine (zugegeben: sehr gute) Software, die aber nur deshalb umsonst zur Verfügung gestellt wird, um User ausschnüffeln zu können. Google ist schon länger nicht mehr gut (moralisch, nicht technisch).

  • Netzwerke sind hilfreich und haben optimalerweise Überschneidungen mit der realen Lebenswelt. Aber sollte man deshalb gegenüber den Datenschnüfflern von StudioVZ, Facebook, Xing und wie sie alle heißen, jegliche Vorbehalte verlieren und sein Privatsphäre aufgeben? Wofür denn?

  • Wissen allgemein verfügbar zu machen und gemeinsam zu vertiefen ist der Hammer. Und Mediawiki ist eine freie und nützliche Software dafür. Aber wenn tatsächlich die Wikipedia am Ende von den Großkonzernen gefickt wird, ist das ein gigantischer Fehlschlag eines großartigen Ansatzes. (Remember: MS/Windows ist das Resultat eines ähnlichen Diebstahls.)



Um all das kritisch zu analysieren, bedarfs es dringend einer kritischen Medien-/Netztheorie, die erstmal vor nichts halt macht. Ein utopistischer Ansatz, Medien zur Emanzipation, Partizipation und Veränderung nutzen zu wollen, mag unpopulär sein, aber das macht ihn noch lange nicht falsch.

(Disclaimer: Hier gibt es keinen Counter und ich schaue mir auch meine Serverstatistiken äußerst selten an.)

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